„Man gewinnt nicht mit Zweifeln“ – Christian Kukuk im Interview

Der Olympiasieger über seine Rolle im Team und klare Ziele

Beim Nationenpreis-Finale in Barcelona geht Christian Kukuk als Startreiter für das deutsche Team in den Parcours. Mit Just Be Gentle gehörte er bereits zum deutschen Bronze-Team bei den Europameisterschaften in A Coruña. Im Interview spricht er über seine Rolle im Team, die Besonderheiten seiner Stute – und über seine nächsten großen Ziele im Spitzensport.

 

Christian, du bist beim Nationenpreis-Finale in Barcelona abermals der erste Starter im deutschen Team. Wie kommt’s? Wir haben einfach gute Erfahrungen gemacht, wenn ich als Erster starte. Natürlich ist das spannend, weil man den Parcours weniger gut einschätzen kann, als wenn man schon viele Ritte gesehen hat. Aber für mich funktioniert das gut – ich kann mich in Ruhe vorbereiten und plane mir die Zeit so, dass es passt. Ich fühle mich tatsächlich wohl, wenn ich am Anfang dran bin.

 

Was bedeutet diese Rolle im Team für dich? Als Erster bin ich der Crashtest-Dummy (lacht). Ich bin derjenige, der den Parcours als Erster reitet. Dann weiß ich, wie welche Linien wirklich zu reiten sind. So kann ich den anderen Tipps geben. Das ist Teil der Teamarbeit, und die funktioniert bei uns super.

 

Mit Just Be Gentle warst du auch bei der Europameisterschaft. Wie sah eure Zeit danach aus? Nach der EM hat sie eine kleine Pause bekommen. Dann habe ich sie über ein kleineres Turnier wieder aufgebaut, um dann in Brüssel und Riesenbeck zu reiten. Ich habe mit ihr ein gutes Gefühl, das mich optimistisch für Barcelona stimmt.

 

Sie gilt als charakterstark – wie gehst du im Training damit um? Sie ist sehr meinungsstark und von ihrer Meinung auch überzeugt. (lacht) Ihr ist recht egal, was die anderen Pferde machen. Im Umgang ist sie kein schwieriger Charakter. Vielmehr ist sie in der Dressurarbeit nicht einfach, weil sie gerne mit hoher Nase geht. Das ist im Parcours ein Vorteil, aber in der Dressurarbeit muss ich sie über den Rücken gymnastizieren können – das ist wichtig für ihre Gesundheit und Elastizität. Wir sind beide aber kompromissbereit.

 

Dabei hat sie ihre Eigenheiten: Hier in Barcelona ist der Weg vom Stall zum Abreiteplatz relativ lang. Es ist wie eine Schleuse – mit vielen Ecken und Geräuschen. Da ist sie jedes Mal hellwach und ich habe manchmal das Gefühl auf einem vierjährigen Pferd zu sitzen, weil sie alles wahrnimmt und sich erschrecken kann. Ich bleibe ruhig, ich kenne sie und so ist es auch kein Problem. Im Parcours kämpft sie dann wie ein Löwe für mich. Dann ist sie voll fokussiert. Das macht sie aus.

 

Warum ist es dir wichtig, sie dressurmäßig gut zu arbeiten?

 

Es geht um ihre Gesundheit, um ihre Elastizität und sie braucht die Rückenarbeit zudem am Sprung. Nur wenn der Rücken gut mitarbeitet, kann sie die entsprechende Bascule zeigen. Es geht nur durch die dressurmäßige Arbeit. Nur so können wir den Körper des Pferdes auf die Aufgaben vorbereiten, die wir dem Pferd stellen. 

 

Wie sehr unterscheidet sich für dich ein Nationenpreis von anderen Turnieren? Ich versuche, keine großen Unterschiede zu machen – die Vorbereitung bleibt gleich. Ich habe meine Routine, die sich bewährt hat und gut klappt. Es ist dennoch eine besondere Vorfreude. Wir dürfen für Deutschland im Nationenpreis-Finale an den Start gehen. Das bleibt besonders. Wir haben das Finale in den letzten beiden Jahren gewonnen, und das will man natürlich wiederholen. Das neue Format mit nur drei Reitern im zweiten Umlauf macht es besonders spannend – jeder kleine Fehler zählt. Ich finde das super für den Sport. Vor zwei Wochen habe ich die Station in Saint Tropez verfolgt und dermaßen mitgefiebert. Es war wahnsinnig spannend und es ist ein tolles Format. Alle Nationen sind sehr motiviert und wollen Nullfehlerritte liefern. So auch wir.

 

Wie ist das Gefühl, wieder im roten Jackett für Deutschland zu reiten? Das ist immer speziell. Ich weiß noch genau, wann ich es das erste Mal getragen habe – das war in Sopot, bei meinem ersten Nationenpreis auf Drei-Sterne-Niveau. Natürlich ist die Aufregung heute anders, aber das Gefühl bleibt: Man reitet nicht für sich selbst, sondern fürs eigene Land – und gemeinsam mit Teamkollegen. Das macht es besonders.

 

Du bist im Stall von Ludger Beerbaum in den internationalen Spitzensport hineingewachsen, bist Olympiasieger geworden. Nun ist klar: Du machst dich selbstständig. Wie kam es zu dieser Entscheidung? Das war ein Prozess, der sich in den letzten ein bis zwei Jahren entwickelt hat. Es war nie ein spontaner Entschluss, sondern das Ergebnis vieler Faktoren – Erfahrung, Alter, Familie, Perspektive. Ich fühle mich nun bereit dafür. Es war immer schon mein Ziel, irgendwann selbstständig zu sein. Aber ich hatte keinen zeitlichen Plan, um mich auch nicht unter Druck zu setzen. Nun fühlt es sich genau richtig an. Ich hatte 13 unglaubliche Jahre bei Ludger Beerbaum. Zu ihm zu gehen, war die beste Entscheidung meines Lebens. Es war und ist eine tolle Zeit. Aber jetzt ist der richtige Moment, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu übernehmen.

 

Wie sieht deine Zukunft konkret aus? Im Winter werden wir – wie schon im vergangenen Jahr – mit der Familie und den Pferden in Wellington (USA) sein, von Januar bis April. Danach geht’s zurück nach Deutschland für die Sommersaison. Ich werde voraussichtlich im kommenden Jahr zunächst eine Stallgasse pachten. Ich plane etwa zwölf Boxen – davon sechs bis acht für meine eigenen Pferde. Der Fokus bleibt klar auf dem Spitzensport. So wie es auch in den vergangenen Jahren war. Das ist mein klares Ziel.

 

Was treibt dich im Spitzensport an? Es ist einfach meine Leidenschaft. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, vereinfacht gesagt. Ich habe die größte Passion für den Springsport. Da möchte ich bestmöglich performen. Der Spitzensport war immer mein Wunsch. Die Leidenschaft spornt mich jeden Tag an. Mich motiviert dabei weniger der einzelne Sieg, sondern die langfristige Entwicklung. Mir geht es nicht darum, jedes Springen zu gewinnen. Es geht um das Gefühl, mit meinen Pferden auf dem richtigen Weg zu sein. Kurzfristiger Erfolg hat mich nie angespornt.

 

Wie konkret planst du Championate wie Aachen 2026 oder Olympia 2028? Ich plane langfristig, aber realistisch. Die Weltmeisterschaft in Aachen kursiert immer weiter vorne in meinem Kopf. Für Los Angeles 2028 schaue ich auch schon jetzt, welche Pferde dafür in Frage kommen. Ohne eine langfristige Entwicklungsphase ist es nicht möglich bei einem Championat um eine Medaille mitzureiten. Ein Pferd muss man mindestens zwei Jahre lang sehr gut kennen, um bei den Olympischen Spielen erfolgreich sein zu können. Dort wird in einer Woche alles abgefragt, was wir in unserem Sport an Anforderungen haben – bei den Abmessungen, bei der Linienführung, bei der erlaubten Zeit. Man muss sein Pferd in- und auswendig kennen. Vertrauen und Sicherheit sind dafür die Basis – man gewinnt nicht mit Zweifeln.

 

Wer ist derzeit dein Favorit für Aachen 2026? Klar, Checker steht an erster Stelle – er hat sich mit seinem Olympiasieg und seiner Konstanz bewiesen. Just Be Gentle hat ebenfalls Championatserfahrung und viel Potenzial. Dahinter kommen junge Pferde wie Cepano Baloubet und Chageorge, die ich langfristig aufbauen möchte. Beide haben viel Potenzial, aber noch nicht die Erfahrung wie die anderen beiden. Ich versteife mich nicht auf ein Pferd, sondern mache genauso weiter wie im vergangenen Jahr. Jedes Pferd hat seinen Plan und sein Management. Es kristallisiert sich im kommenden Jahr, wer wirklich in Frage kommt.

 

Vielen Dank für das Interview.

 

Fakten zum Nationenpreis-Finale in Barcelona 

Das Finale der League of Nations entscheidet sich am 5. Oktober 2025. Das deutsche Team hat den siebten Startplatz zugelost bekommen. Insgesamt gehen neun Teams an den Start. Die acht besten Nationen der Nationenpreis-Serie sowie Spanien als Gastgeber. Christian Kukuk und Just be Gentle sind das erste deutsche Paar. Als zweites gehen für Deutschland Sophie Hinners und Iron Dames Singclair an den Start, darauf folgen Marcus Ehning und Coolio. Richard Vogel und United Touch S sind, wie schon bei den Europameisterschaften in A Coruna, die Schlussreiter.

 

Entschieden wird das Finale in zwei Umläufen. Im ersten gehen vier Paare pro Nation an den Start. Im zweiten nur noch drei. Dann zählt jedes Ergebnis. Deutschland konnte in den vergangenen beiden Jahren gewinnen. fn-press/sag

 

 

 

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