Der Reitverein für alle (Editorial Reiterjournal + Bayerns Pferde Ausgabe 04/2023)

Foto: Roland Kern, Redaktion - Fotograf: TOMSPic Thomas Hartig

Foto: Roland Kern, Redaktion - Fotograf: TOMSPic Thomas Hartig

Im Moment finden wieder landauf und landab die Mitgliederversammlungen der Landes- und Regionalverbände statt. Fast überall das gleiche Bild: Ratlosigkeit, mitunter Verzweiflung wegen sinkender Mitgliederzahlen. Das Problem ist zwar bekannt, aber offenbar nur schwer lösbar. Während die Faszination des Pferdes auf die Menschen nicht nachlässt, die Kinder-Reitschulen und privaten Ställe Wartelisten abarbeiten müssen, zieht es die Reiter immer seltener in die klassischen Vereine und auf herkömmliche Turniere.

 

Jetzt werden die Vorwürfe wieder lauter, die Vereine müssten sich besser um die Freizeitreiter bemühen statt um die Sport- und Turnierreiter. Das ist falsch und richtig zugleich. Falsch ist es, diese Unterscheidung zu machen, denn sie reißt Gräben auf. Die allermeisten Turnierreiter betreiben den Pferdesport in ihrer Freizeit. Sie sind also Freizeitreiter. Es gibt überhaupt nur ein Kriterium, nämlich den tier- und artgerechten Umgang mit dem Pferd. Das müssen wir von jedem einfordern, mehr als je zuvor. Richtig wäre es, sich um alle zu kümmern.

 

Und genau dort müssen Vereine und Verbände einhaken. Denn es ist völlig egal, ob man mit dem Pferd in seiner Freizeit lieber Leistungssport treibt oder entspannt ins Gelände reitet – beides muss man lernen und verstehen, wenn man nicht gerade mit Pferden aufgewachsen ist. Das merken auch die meisten Menschen, die mit Pferden umgehen, denn sonst wird es gefährlich und macht auch keinen Spaß. Wer nicht im Sinne des Pferdes handelt, muss von der Gemeinschaft zurechtgewiesen werden, und zwar egal, ob er sein Pferd spazieren führt oder piaffiert, ob er Reitkappe trägt oder Cowboyhut, ob er reitet oder Kutsche fährt, ob er ein Deutsches Sportpferd reitet oder einen Isländer.

 

Pferdesportvereine müssen Orte der guten Ausbildung, des Pferdeverstandes, der Vorbilder und auch der Kontrolle sein. Das ist ihre Daseinsberechtigung, aber auch ihr bestes Marketing-Argument. Genau diese Clubs und Vereine brauchen die Unterstützung der Verbände – vielerorts ist man dabei auf dem richtigen Weg. Übrigens beobachtet man dabei sehr genau, dass gut geführte und breit aufgestellte Vereine auch gute Turniere anbieten. Die Klammer zwischen Vereinsleben und Turniersport funktioniert dort noch. Ein Reiterverein, der keine Ausbildung, keinen Unterricht, kein Reitenlernen und keine Anleitung bietet für Menschen, die Pferdeleute werden wollen, der wird seiner Aufgabe und seiner Verantwortung nicht gerecht. Der befördert und akzeptiert vielmehr einen Umgang mit dem Pferd, der uns allen schadet. Der braucht sich aber auch nicht zu wundern, wenn die Leute zum Bauernhof am Ort gehen und die Tipps der „VOX-Pferdeprofis“ für eine Reitlehre halten.

 

Die neue Ausgabe von Reiterjournal » und Bayerns Pferde Zucht + Sport » ist ab Freitag erhältlich!

 

Ihr Roland Kern,

 

Redaktion Reiterjournal

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