15. FN-Bildungskonferenz mit 400 Teilnehmern

Live-Stream mit Olympiasiegerin Julia Krajewski brachte Praxis ins Programm

Warendorf (fn-press). Inspiration und Optimismus prägten die 15. Bildungskonferenz der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), die zum dritten Mal digital stattfand. An Vor-Corona-Zeiten knüpfte die Konferenz mit einem Live-Stream in die Reithalle an, wo Olympiasiegerin Julia Krajewski den 400 Teilnehmern vor ihren Bildschirmen einen Einblick in ihre Trainertätigkeit gab.

 

Hochkarätige Referentinnen und Referenten standen auf dem rund dreistündigen Programm, zu dem FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach die Konferenzteilnehmer begrüßte, bevor Moderator Christoph Hess übernahm. Eingebettet in die Vorträge und begleitet durch Videostatements der Fachschulleiter und dezentralen Lehrgangsleiter wurden die Namen von 277 Trainerabsolventen verlesen, da sie nicht persönlich vor Ort mit der Gebrüder Lütke-Westhues-Auszeichnung geehrt werden konnten.

 

Es ist gute Tradition der FN-Bildungskonferenz einen Blick über den Tellerrand in andere Sportarten zu werfen. Diesmal fiel der Blick auf die Leichtathletik. "4B: Bewegen, Begeistern, Bilden, Binden" stellte Dominic Ullrich, Leichtathletik-Lehrertrainer beim Deutschen Leichtathletik-Verband, die 4B-Regel vor. Der Vizepräsident Jugend im Deutschen Leichtathletikverband und Vorstandsmitglied der Deutschen Schulsportstiftung betonte die Notwendigkeit der Bewegung: „Alle Kinder lieben Bewegung, Entdeckungen, Wettstreit, Neugier, Spaß. Das wird altersgerecht vermittelt. Die Freude der Kinder wird aufgegriffen, Fairplay eingeübt und alle Kinder sollen teilnehmen können, egal mit welchen Problemen sie persönlich befasst sind. Und so stellt sich die Frage: Wie muss man eine Sportart organisieren, damit sich Kinder angesprochen fühlen und Lust darauf haben?“ Begeisterung ist der Schlüssel. Wer es schafft, Kinder zu begeistern, der bindet sie auch an die Sportart. Dazu müssen die Motivlagen der Kinder berücksichtigt werden. So zitierte Ullrich eine Umfrage zur Vereinsmitgliedschaft, wonach Kinder folgende Motive angaben: 89 % Spaß; 74 % Geselligkeit/Gemeinschaft, 69 % körperliche Fitness. Dabei spielt der Trainer eine entscheidende Rolle, ob ein Kind oder Jugendlicher bei der Sportart bleibt. Natürlich braucht er Schlüsselqualifikationen: Der Trainer oder die Trainerin muss Coach, Berater, Mitarbeiter und Partner sein. Er oder sie braucht Fach- und Methodenkompetenz sowie pädagogische und psychosoziale Kompetenz. Und: Der Trainer oder die Trainerin muss auch begeistert sein, um begeistern zu können. Das ist anspruchsvoll, aber auch von großem gesellschaftlichen Wert. Denn Sport ist auch Bildung und wer Kinder und Jugendliche an eine Sportart bindet, leistet einen Beitrag zu ihrer gesamtpersönlichen Entwicklung.

 

Der Trainer als Dolmetscher des Pferdes. Was hat Trainertätigkeit mit Tierwohl zu tun? Über diese Fragestellung sprachen Thies Kaspareit, Leiter der FN-Abteilung Ausbildung, und Ulrike Lautemann, Pferdewirtschaftsmeisterin und zweite Vorsitzende der Bundesvereinigung der Berufsreiter. Nicht nur der Reiter will Spaß und Freude beim Sport haben, auch das Pferd muss dies spüren und sich beim Reiten wohl fühlen, so Kaspareit. Dieses Verständnis haben Trainerinnen und Trainer zu vermitteln, damit Reiter lernen, sich ins Pferd hineinzudenken. „Durch systematisch richtige Ausbildung werden die Pferde in die Lage versetzt, ohne Mühe zu machen, was der Mensch von ihnen möchte“, ergänzt Ulrike Lautemann. Beim Reiten kommen mit Mensch und Pferd zwei Wesen mit unterschiedlicher Wahrnehmung und unterschiedlicher Sprache zusammen. Wie sieht die „Dolmetscher-Tätigkeit“ des Ausbilders aus? Das Pferd hat eine Signalsprache, die der Trainer seinen Reitschülern in der Praxis erklären können muss. Das erfordert auch viel Reiterfahrung des Ausbilders, um zum Beispiel akute Reaktion von (negativ) konditionierten unterscheiden zu können. Ein typisches Beispiel, wo es einen „Übersetzer“ braucht, nannte Thies Kaspareit. Ein Pferd scheut immer wieder an einer bestimmten Stelle und der Reiter unterstellt seinem Pferd, dies mit Absicht zu tun. Mit seiner menschlichen Sicht verunsichert der Reiter dann das Pferd eher, das sich dann weiter verspannt. „Wir haben das Pferd mit seiner Natur und als Persönlichkeit zu respektieren. Dem Pferd, das in einer Situation Probleme hat, muss man Raum geben, damit es lernt, mit der Situation umzugehen. Das heißt, der Trainer muss Verständnis für das Pferd mitbringen und natürlich auch für den Reiter“, sagte Ulrike Lautemann. In diesem Zusammenhang geht sie auf ein Phänomen ein, das sie in ihrer jahrzehntelangen Trainertätigkeit auch oft erlebt. Wenn etwas nicht klappt, sagt der Reiter, es sei seine Schuld gewesen. „Reiten ist keine Frage von Schuld. Als Reiter sollte man sich nur ständig damit befassen, was man noch besser, für das Pferd noch verständlicher machen kann“, sagt Ulrike Lautemann. Die Trainer sind also dazu da, dem Reiter die Natur des Pferdes zu erklären, eine Situation zu analysieren und auch bei der Verständigung mit dem Pferd zu helfen, fasst Thies Kaspareit die Aufgabe des Trainers zusammen. „Ja. Und für die Kommunikation mit dem Pferd hat der Reiter die Hilfen. Die Hilfen sollen dem Reiter helfen, sonst würden sie ja „Sanktionen“ heißen“, erklärt die Pferdewirtschaftsmeisterin. Und weiter: „Denke wie ein Pferd und gib dazu die richtigen Hilfen, um dem Pferd zu vermitteln: Da passiert nichts.“ Am Ende müssen Reiter lernen, Ruhe und Sicherheit auszustrahlen und Vertrauen beim Pferd aufzubauen. Dass der Ausbilder übrigens nicht nur Dolmetscher zwischen Pferd und Reiter ist, kam ebenfalls zur Sprache: Der Umgang mit Kritikern. Für Ulrike Lautemann ist klar, dass es nicht hilfreich ist, Kritiker einfach als ahnungslos abzutun. Vielmehr muss man Kritik ernst nehmen und aufklärend wirken. Dazu sind Ausbilder aus ihrer Sicht in der Lage, denn „Erklärung setzt Wissen voraus“.

 

Unterrichtsbeispiele sind hilfreich. Doch wie macht man das bei einer Online-Konferenz? Die Lösung bieten Kameras in der Reithalle des DOKR-Bundestützpunktes Reiten und eine erfahrene Ausbilderin: Julia Krajewski. Die Vielseitigkeits-Olympiasiegerin und Bundestrainerin der Junioren verdeutlichte in der Praxis die „Trainerperspektive im Pferdesport – Wie unterrichten aus Sicht des Trainers funktioniert.“ Das Credo von Julia Krajewski: Geduld haben mit dem Pferd. „Pferde tun, was für sie naheliegend ist.“ Das müsse ein Trainer im Blick haben und damit auch den Reiter. Der Reiter solle schließlich in die Lage versetzt werden, das Richtige zu tun, auch wenn der Trainer nicht in der Mitte steht – Stichwort mündiger Reiter. Dazu zeigte sie u.a., wie sie als Trainerin in der Reitbahn zunächst Kontakt aufnimmt mit den anwesenden Reiterinnen. Durch Fragen macht sie sich ein erstes Bild vom Ausbildungsstand der Reiterinnen und Pferde, anschließend durch erste Aufgaben zum Beispiel auf dem Zirkel. Julia Krajewski forderte verschiedene Aufgaben einzeln, dann in Reihe. Zum Schluss fragte sie die Reiterinnen, wie sie die Bewältigung der Aufgaben und ihr Reiten selber bewerten. Auch Julia Krajewski sagte: Der Trainer ist Dolmetscher: „Für mich ist entscheidend: Der Reiter versteht, was kann mein Pferd, wann ist Schluss, was kann ich steigern? Der Reiter muss sich genauso entwickeln. Jugendliche und Kinder können nicht alle Zusammenhänge „verstehen“, das muss sich ebenso entwickeln wie das Pferd.“ Aus ihrer Sicht müssen Trainer darauf Wert legen, dass Reiter und Reiterinnen eine sehr gute Sitzgrundlage bekommen und den fairen Umgang mit ihrem Pferd lernen. Der Trainer oder die Trainerin müsse Verantwortung vermitteln. Der fortgeschrittene Reiter müsse in der Lage sein, mit Plan zu trainieren, sich also zum Beispiel einen gut überlegten Wochenplan zu erstellen. Markus Scharmann, Diplomtrainer Reiten und Leiter des DOKR-Bundesstützpunktes, ergänzte die Trainingseinheit mit der Auswertung des Feedbacks der Reiter und demonstrierte damit anschaulich, wie wichtig dieses Rückmeldungen der Reiter für deren Lernerfolg sind.

 

Den Abschluss der Konferenz bot Christina Fercher, Diplom-Sportwissenschaftlerin am Olympiastützpunkt Nordrhein-Westfalen. Ihr Thema: Die körperlichen Anforderungen des Pferdesports. Sie ging zunächst ein auf die Bewegung der Skelettmuskulatur, das zentrale Nervensystem und die Sehnen. Außerdem hänge die sportliche Leistung von vielen Faktoren ab, so z.B. von Koordination, Kondition, Bewegungsfähigkeit oder auch sozialer Fähigkeit. Das „sportliche System“ des menschlichen Körpers erklärte sie als „Steuerungssystem“, das wiederum von verschiedenen Fähigkeiten abhängt. Auch für das Reiten brauche man Kraft, allerdings nicht im Sinne eines Kräftemessens zwischen Mensch und Pferd. Vielmehr stellte Fercher dar, wie sich die Kraft des Reiters entfaltet. So sei die Rückenmuskulatur wichtig für den gestreckten Grundsitz. Und dass dieser stabil ist, dafür sorge die Brust- und Bauchmuskulator. Wie wichtig Ausdauer für Reiter ist, erklärte sich schon aus Ferchers Bedeutung des Begriffes: Ermüdungswiderstandsfähigkeit. Je besser die Ausdauer sei, desto länger und effektiver könne der Körper auch die Energie für den sportlichen Einsatz bereitstellen. Wer 40 oder 50 Minuten reite, brauche Ausdauer. Und Beweglichkeit. Die könne man auch ohne Pferd trainieren. Dass Reiter Sportler sind und sich auch als solche verstehen, bewiesen mittlerweile zahlreiche Reiter und Reiterinnen aus dem Spitzensport, die neben dem Reiten joggen oder Gymnastik machen. Im Zusammenhang mit der Ausbildung von Kindern zitierte Fercher die Weltgesundheitsorganisation: „Bewegungsmangel ist die Epidemie des 21. Jahrhunderts!“ Eine Entwicklung, die Ausbilder und Ausbilderinnen im Pferdesport vor

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