Helden der Arbeit (Editorial Reiterjournal 03/2022)

Foto: Roland Kern - Fotograf: TOMsPIC

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Alle reden vom Pflegenotstand. Was den Pferdesport angeht, hat der Begriff nochmal eine ganz eigene Bedeutung. Denn nicht nur das Pflegepersonal in den Heimen und Kliniken ist rar, auch in den Reitställen und Vereinen. Pferdepfleger und Stallhelfer sind verzweifelt gesucht. Es gibt eigentlich fast keinen Stallbesitzer oder Vereinsvorsitzenden, der davon kein Lied singen könnte. Wir widmen dem aktuellen Notstand das „Thema des Monats“. Woran liegt das wohl? Die Tätigkeit mit Stallgeruch gehört bei uns leider zu denen, die keiner mehr machen will. Im Winter kalt, im Sommer heiß, viel Arbeit, früh aufstehen – und zu wenig Geld für den harten Job. Wer etwas anderes bekommt oder ein Recht hat auf staatliche Leistungen, macht sich normalerweise nicht die Finger im Stall dreckig – so ist es leider. Wie kann man das ändern? Da gibt es sicher nicht nur eine Stellschraube, die man drehen muss. Die Stallbesitzer klagen über bürokratische Hürden. Die müssen weg.

 

Es muss aber auch ein Umdenken her, das zu einem Imagewandel dieses Berufes führt. Denn eigentlich ist der Job ziemlich anspruchsvoll und spannend: Ein guter Pfleger sollte ein halber Schmied und ein Viertel-Tierarzt sein, ein Pferdepsychologe und nicht selten auch für den Reiter ein treuer Freund und Berater. Es muss wieder ein richtiger und ehrbarer Beruf werden. Früher gab es Stallmeister, heute nur noch Stallmister. Namhafte Sportlerinnen und Sportler machen es vor. Isabell Werths und Ludger Beerbaums Pfleger sind in der Szene bekannte und geschätzte Leute. Top-Profis auf ihrem Gebiet. Die Ausbildung zum „Stall-Manager“ müsste angeboten und beworben werden. Die Tätigkeit kann hochanspruchsvoll sein. Wir müssen Profis heranziehen, begeistern und qualifizieren statt Wanderarbeiter aus den Armenhäusern Osteuropas als unterbezahlte Ausmister zu beschäftigen. Vor allem aber, wir müssen wieder Respekt lernen vor den Menschen, denen wir das Wohlbefinden unserer Pferde anvertrauen. Sie verdienen, um ihre Familien zuhause zu ernähren, deutlich weniger im Monat, als die perlenbesetzten Reitstiefel der meisten Turnierreiter kosten. Es sind Helden der Arbeit, wir sollten sie auch so behandeln.

 

Mit reiterlichen Grüßen

Roland Kern

 

Redakteur Reiterjournal

 

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